Der erlösende Anruf
Für das letzte Wochenende im Oktober haben wir also alles organisiert: Oma und Opa gebeten einen Tag vor unserer Abreise zu kommen, den Schwestern und Ärzten Bescheid gegeben, mit Petra alles geklärt und Zuhause Termine vereinbart (Montag Reifenwechsel).
Oma und Opa kamen am Mittwoch, wir zeigten ihnen nochmals alles, also wie unser Kleiner am besten beruhigt wird, wie er es mag gefüttert zu werden, welches Spielzeug das Beste ist und wo sie im Krankenhaus alles zur Versorgung des Kleinen finden (Fläschchen, Windeln, Anziehsachen). Donnerstag Morgen trafen wir uns dann im Krankenhaus und wir verabschiedeten uns von unserem Sonnenschein – wieder ein komisches Gefühl ihn „allein“ zu lassen, obwohl wir genau wussten, dass er in guten Händen bei Oma und Opa war. Nach einer kleinen Kuscheleinheit und ganz vielen dicken Knutschern ging es für uns dann ab auf die Straße – etwa 7 Stunden Autofahrt lagen vor uns.
Die Straßen waren frei und wir kamen gut voran. Nach fast 5 Stunden bekamen wir dann einen Anruf aus dem Krankenhaus. Unser erster Gedanke: Oh ne, nicht schon wieder was mit dem Kleinen, kann das nicht mal aufhören? Wir hörten dann durch die Freisprechanlage im Auto die Stimme von Dr. Fleck, Geschäftsführender Oberarzt der Kinderkardiologischen Station: „Wir haben gute Nachrichten, es gibt ein Organangebot. Das Organ passt super für den Kleinen und wir würden es gern annehmen! 19:30 Uhr soll er in den OP geschoben werden.“ Uns fehlten die Worte!! Kurz Gedanken sortiert, auf die Uhr geschaut und festgestellt, dass wir es nicht rechtzeitig schaffen würden. Wir sprachen alles mit ihm ab und entschieden uns den Heimurlaub und die Termine Zuhause wie geplant durchzuführen.
Euphorie machte sich im Auto breit, wir freuten uns riesig über diese Nachricht, riefen auch direkt Oma und Opa an, die in Freiburg ja noch nichts wussten. Oma hat direkt angefangen zu weinen, musste auch auflegen, bis sie dann 10 Minuten später erneut anrief. Wir informierten alle wichtigen Menschen in unserem Leben und in dieser Zeit kam dann auch langsam das nächste Gefühl: die Ungewissheit. Nur weil es ein Organangebot gibt, heißt es nicht, dass das Herz auch wirklich passt und für unseren Schatz gut ist. Erst bei der Entnahme des Herzens aus dem Körper des Spenders wird entschieden, ob das Herz allen Ansprüchen genügt.
Für Oma und Opa kam nun auch eine schwere Zeit: sie schauten zu, wie der Kleine für den OP fertig gemacht wurde, nichts mehr essen durfte, einen Zugang bekam und nochmals ausführlich untersucht wurde. Gegen 19:30 Uhr durften sie ihn dann bis zur OP-Schleuse begleiten. Da bekamen wir auch noch ein Bild von unserem (ahnungslosen) Schatz, dem in den kommenden Stunden das Berlin Heart entfernt und ein Spenderherz implantiert wurde.
Wir haben an dem Abend mit unseren Nachbarn zusammen gesessen. Wir tranken einen Sekt auf den Kleinen und hofften, dass alles gut werden würde. Irgendwann spät sind wir dann ins Bett – eine ruhige Nacht war das jedoch nicht. Die Ärzte meinten, dass es etwa 10 bis 12 Stunden dauern würde, bis sie mit der OP fertig wären. Eine quälend lange Zeit.
Am Freitag, den 25.10. mussten wir früh aufstehen und einige Wege erledigen. Wir waren gerade im Bad, als dann der Anruf aus Freiburg kam: „Der Kleine habe alles gut überstanden und würde demnächst auf die Intensivstation gebracht werden.“ Erneut hatten wir Tränen in den Augen und sagten wieder allen wichtigen Menschen Bescheid.
Oma und Opa durften an diesem Tag ganz kurz zu ihrem Enkel. Er war noch beatmet und sediert. Außerdem hatte er viele Wassereinlagerungen und blaue Flecken (von den Blutverdünnern). Auf den Bildern haben wir ihn kaum wiedererkannt. Dennoch waren wir unheimlich stolz auf unseren Sohn, dass er es so gut gemeistert hat.
An den folgenden Tagen durften Oma und Opa jeweils immer kurz zu ihm, ohne ihn groß anzufassen und immer mit Schutzkleidung. Da der Kleine nun Immunsupressiva bekam und somit sein Immunsystem geschwächt war, musste auf strenge Hygiene geachtet werden. Sonntag wurde er dann von der Beatmung entwöhnt und wach gemacht. Er war wohl noch sehr benommen.
Montag war es dann endlich soweit, nach dem Reifenwechsel sind wir direkt nach Freiburg gefahren, um unseren Sohn – mit einem Spenderherz und ohne Berlin Heart – wiedersehen zu können. Die Wassereinlagerungen gingen langsam zurück, er wurde wacher und wacher, schaute uns an, find dann später wieder an uns anzulächeln. Wie schön: Wir hatten unseren Sohn wieder!!
Oma und Opa fuhren wieder in ihre Heimat. Nach und nach wurden der Pacer, die Drainagen und der Blasenkatheter gezogen. Nach 10 Tagen auf der Intensivstation durften wir dann auf die Normalstation Noeggerath zurück. Ein neues Leben begann!
Tina