…und des Wartens

März 31, 2020 0 Von Tina

Die rechte Seite kam schnell wieder, so dass er den rechten Arm und das rechte Bein wieder bewegen konnte. Nach einer Nacht auf der ITS ging es also wieder rüber auf die Station Noeggerath: Unser altes Zimmer wurde für uns freigehalten. Es ging also wieder bergauf und wir freuten uns, dass wir wieder einander hatten. Natürlich schwebte immer die Angst mit, dass es erneut passieren könnte, das versuchten wir aber auszublenden und genossen die gemeinsame Zeit so gut es ging. Und an dieser Stelle muss ich auch den Seelsorger Herrn Terjung ansprechen: Er hat uns in jeder schwierigen Situation beigestanden, uns Mut gemacht und uns immer Anregungen für den neuen Alltag in Freiburg gegeben. Ohne ihn wäre die Zeit schwieriger gewesen.

In der Zeit des Wartens ging uns viel durch den Kopf: Hätten wir das Ganze vielleicht früher erkennen können und ihm so all das ersparen können? Haben wir etwas falsch gemacht? Und so langsam nervte es – jeden Tag aufs Neue hofften wir auf einen Anruf oder auf den Arzt/die Ärztin, der/die uns mitteilte, dass ein Spenderherz gefunden wurde. Auch wenn wir die Zeit mit ihm genossen, funktionierten wir mehr. Wir machten alles, was uns empfohlen wurde, achteten auf medizinische Besonderheiten und wollten, dass das Warten ein Ende hatte.

Wir hatten unheimlich Glück mit unseren Arbeitgebern. Thomas, der Papa, ist Beamter und er wurde aufgrund der hohen psychischen Belastung krankgeschrieben. Ich war noch in Elternzeit und so konnten wir zusammen in Freibug bei unserem Sohn sein und hatten einander. Es gab in der Zeit aber auch viele Abende, an denen wir nur wenig miteinander gesprochen haben – einfach weil jeder damit beschäftigt war die Situation so gut es geht zu verarbeiten.

Leider kam dann am 30.09.2019 ein erneuter Tiefpunkt: Als wir in der Freiburger Stadt waren, hatte unser Sohn einen Krampfanfall, der medikamentös gelöst werden musste. Wir wurden angerufen, waren aber eh schon auf dem Weg ins Krankenhaus und sahen dann nur den Transporter unten stehen und dann das Team vor dem Zimmer unseres Sohnes. Also wieder rüber in das andere Gebäude und ab ins CT. Alle dachten, dass er eine Hirnblutung hätte, da die blutverdünnenden Medikamente nach dem letzten Schlaganfall erhöht wurden. Doch auch diesmal war es ein Schlaganfall – auf der rechten Hirnhälfte. Langsam hatten wir das Gefühl, dass es knapp wird. Wenn nicht bald ein Spenderherzchen für unseren Schatz zur Verfügung stehen würde, würde er vielleicht noch einen Schlaganfall erleiden und dann eventuell eine Region treffen, die die lebensnotwendigen Reaktionen steuert. Auch der Chefarzt der Intensivstation sprach mit uns, ein ernstes Gespräch über die Situation und wie es mit unserem Sonnenschein weitergehen kann.

Wir entschieden uns weiterhin auf der Spenderliste gelistet zu bleiben. Nach ein paar Nächten auf der Intensivstation durften wir wieder rüber und bekamen ein großes Zimmer für uns. Er sollte keinen Kontakt zu anderen, womöglich kranken, Kindern haben, um das Infektionsrisiko zu minimieren und so auch seine Blutgerinnung nicht zu beeinflussen. Wir hatten eine Elternliege ausgeklappt stehen und kuschelten ganz viel zu dritt. Wir lasen ihm Geschichten vor, spielten, übten und genossen einfach die Zeit in der Familie.

Der zweite Schlaganfall hat eine Sensibilitätsstörung am Mund bei ihm ausgelöst: der Nuckel war also nicht mehr interessant und das Trinken wollte auch nicht mehr klappen. Doch wir übten und bekamen es auch hin, dass er wieder einigermaßen ordentlich trank. Brei wollte er nicht so richtig essen, aber um das zu üben, haben wir in Zukunft noch genug Zeit. Uns war es wichtig, dass wir die Zeit, die wir gemeinsam hatten, nutzten.

Und dennoch nervte es jetzt richtig! Wir wollten unseren Sohn wieder gesund mit nach Hause nehmen, ein normales Leben führen. Wir vermissten unser Zuhause, unsere Verwandten (auch wenn sie uns besuchen kamen, war es nicht wie sonst) und unsere Freunde.

Deswegen und auch weil unser Leben – 750 km entfernt von der Klinik – weiterlief, entschieden wir uns Ende Oktober nach Hause zu fahren. Die Großeltern würden uns für ein verlängertes Wochenende ablösen, so dass der Kleine nicht allein war.

Fragen? Kritik? Anregungen? Immer her damit!

Tina